Corona: Die Krise ist auch Chance!

10 Punkte, für die uns die Corona-Pandemie die Augen öffnete

Die Corona-Pandemie beherrscht seit Anfang 2020 unser Leben. Die negativen Folgen der Krise sind in allen Lebensbereichen deutlich zu spüren. Gleichzeitig stellt sich die Frage: Kann die Krise für uns auch eine Chance sein? Dazu 10 Punkte, für die uns die Corona-Pandemie die Augen öffnete.

1. Globalisierung wird von allen verstanden

Schon bisher war für viele die Globalisierung als weltweit zunehmende Vernetzung von Wirtschaft, Politik, Kultur, Umwelt und Gesellschaft spürbar. Manager jetten zwischen Europa, Amerika, Asien, Afrika und Australien hin und her. Die wirtschaftliche Produktion und die Lieferketten sind weltweit eng verflochten. Deutsche gelten als Reiseweltmeister und haben wohl fast alle Winkel des Erdballs besucht. Internationale Konferenzen von Politikern und Wissenschaftlern sind gang und gebe.
Aber erst die Corona-Pandemie hat allen Staaten der Welt drastisch vor Augen geführt, dass wir eine weltweite Schicksalsgemeinschaft sind. Die Globalisierung ist dadurch für alle unmittelbar spürbar geworden. Das Corona-Virus aus China hat die ganze Welt erfasst. Nur wenn genügend Impfstoffe weltweit eingesetzt werden, lässt sich das Virus beherrschen. Die globale Abhängigkeit vom Virus und seinen Mutanten erschreckt, öffnet uns aber auch die Augen für die weltweiten Abhängigkeiten.

2. Der Klimawandel wird bewusster

Die weltweiten Abhängigkeiten gelten ebenso für den Klimawandel und seine Folgen. Die Lösung der gravierenden Klimaprobleme wird von vielen noch vertagt. Gegen den Klimawandel gibt es keine Schutzimpfung. Die Corona-Pandemie hat gelehrt, dass wir die Probleme nur lösen, wenn wir auf die Wissenschaft hören. Beim Klimawandel hören wir noch zu wenig auf die Wissenschaft. Der Preis für unsere Ignoranz gegenüber den wissenschaftlich fundierten Daten wird beim Klimawandel immer höher, solange weltweit nicht gehandelt wird. Diesen Preis müssen vor allem unsere Kinder, Enkel, die nachkommenden Generationen bezahlen.
Die Corona-Pandemie ist zu einem Warnruf für den Klimawandel geworden. Die dramatischen weltweiten Abhängigkeiten sind auch jenen stärker bewusst geworden, die bisher meinten, alles würde doch nur übertrieben, Klimaschwankungen hätte es in den letzten Jahrzehnten doch auch gegeben. Hier zeigt sich: Wenn die Klimaprobleme nicht genauso energisch bekämpft werden wie das Corona-Virus, drohen katastrophale Hitze- und Dürreereignisse, das Schmelzen der Polkappen, die Ausbreitung von Trockengebieten, das Auftauen des Permafrostbodens, oder gravierende Veränderungen bei Flora und Fauna und in den Ozeanen. Deshalb müssen wir den Klimawandel ebenso wie das Corona-Virus beherrschen, wenn wir nicht auf eine ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Katastrophe zusteuern wollen.

3. Digitalisierung: Erheblicher Nachholbedarf

Die Digitalisierung basierend auf dem Internet ist für alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche so tiefgreifend, dass sich weder private Nutzer noch Unternehmen dem entziehen können. Wir spüren die Veränderungen durch Digitalisierung täglich beim Griff zum Smartphone, der Bestellung von Produkten im Internet, der Kommunikation über Social-Media-Netzwerke oder bei der Frage nach dem richtigen Umgang mit digitalen Medien in Schulen, Unternehmen und politischen Entscheidungsprozessen. Für die Wirtschaft ist die Industrie 4.0 und das Internet der Dinge zu einer Schlüsselfrage der Zukunft geworden.
Die Corona-Pandemie hat offenbart, dass trotz vieler digitaler Fortschritte häufig noch erheblicher Nachholbedarf besteht. Schulen und Universitäten klagen über mangelnde Ausstattungen, bei der öffentlichen Verwaltung sind große Lücken erkennbar. Kleine und mittlere Unternehmen, aber auch große Konzerne sind bestrebt, jetzt digitale Defizite abzubauen. Während Deutschland über unzählige Weltmarktführer in den klassischen Wirtschaftsbranchen verfügt, kommt nicht ein einziger digitaler Champion aus Deutschland. Die großen Player kommen aus den USA wie Google, Facebook, Amazon oder aus China wie Baidu, Tencent, Alibaba. Die Corona-Pandemie hat unterstrichen, dass das Tempo bei der Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft zunehmend über unsere künftige Wettbewerbsfähigkeit entscheidet.

4. Unser Gesundheitssystem muss verbessert werden

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass unser Gesundheitssystem in vielen Punkten nicht auf eine derartige Pandemie vorbereitet war. Zwar verfügt Deutschland über moderne, sehr leistungsfähige Kliniken, hochqualifizierte Ärztinnen und Ärzte und sehr kompetente und engagierte Krankenschwestern und Pflegerinnen und Pfleger sowie ein effizientes Rettungssystem. Aber schnell ergaben sich Defizite, wenn die Auslastung der Intensivstationen an ihre Grenzen stieß.
Der weltweite Wettlauf der Labore und Forschungseinrichtungen um Corona-Impfstoffe und Medikamente zeigte auf, dass unsere hochtechnisierte Welt Grenzen hat und dass wichtige Lösungen nicht in wenigen Tagen, Wochen oder Monaten erreichbar sind. Auch wurde deutlich, dass unsere Gesundheitsämter schlecht ausgestattet waren, dass wichtige Pflegekräfte zu schlecht bezahlt werden oder dass die Medikamentenproduktion vielfach nach China oder Indien ausgelagert war. Unser Gesundheitssystem wird künftig mehr Aufmerksamkeit und Anstrengungen erfordern.

5. Home-Office und Home-Schooling: Neue Erfahrungen

Die Corona-Pandemie hat Anfang 2020 in der ersten Welle das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben weltweit zum Erliegen gebracht. Angesichts der exponentiellen Ausbreitung des Covid-19 Virus haben fast alle Staaten strenge Ausgangsbeschränkungen und Hygienemaßnahmen veranlasst. Schulen und Kindergärten, Restaurants, Theater, Kinos, die meisten Geschäfte, Sporteinrichtungen, Spielplätze und vieles mehr wurden geschlossen. Flugzeuge blieben am Boden, Grenzen wurden geschlossen.
Die stark betroffene Wirtschaft wich soweit möglich auf Home-Office und Kurzarbeit aus. Viele Führungskräfte waren erstaunt, dass bei Home-Office vieles reibungslos weiterlief. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entdeckten neue Arbeitsabläufe und Möglichkeiten der Arbeitseinteilung. Manager sparten viel Zeit, statt aufwändiger Auslandsreisen mit Video-Konferenzen zu schnellen Ergebnissen zu kommen. Es wird sich künftig zeigen, ob große Bürotürme und viele Geschäftsreisen noch zeitgemäß sind.
Die Schulen und die Schülerinnen und Schüler sammelten Erfahrungen mit Home-Schooling. Selbst Erstklässler trafen ihre Klassenfreunde in Video-Schaltungen. Zwar lief noch vieles holprig und improvisiert. Aber es gibt den Digital Natives einen weiteren Schub, auch wenn natürlich der Präsenz-Unterricht an Schulen und Hochschulen auch künftig im Vordergrund stehen wird. Aber es zeigte sich, dass moderne Techniken auch zusätzliche Bildungschancen eröffnen.

6. Wissenschaft bekommt mehr Anerkennung

Wissenschaft war schon immer immens wichtig. Aber Wissenschaftler führten mit wenigen Ausnahmen meist ein eher unscheinbares Dasein und bewegten sich in ihren abgeschotteten Wissenschaftskreisen. Die Corona-Pandemie hat die Wissenschaft ins Bühnenlicht gerückt. Wissenschaftler haben ein Millionenpublikum erreicht. Ob Virologen, Epidemiologen, Mediziner, Psychologen oder andere: Für viele Menschen war es das erste Mal, dass sie einen wissenschaftlichen Prozess in dieser Detailtiefe kennenlernten. Begriffe wie Inzidenz, Reproduktionsfaktor oder mutierte Viren wurden zum allgemeinen Sprachgebrauch. Deutlich wurde, über welche hervorragenden Wissenschaftler und Wissenschaftseinrichtungen insbesondere auch Deutschland verfügt. Herausragende Leistungen zeigten deutsche Forscher zum Beispiel bei der Entwicklung des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer.
Das Zusammenwirken von Wissenschaftlern, Chefärzten, dem Robert-Koch-Institut, der Ständigen Impfkommission und anderen mit der Politik gab Verlässlichkeit und Vertrauen. Politiker, die nicht auf die Wissenschaft hörten, wie in den USA oder Brasilien, hatten hohe Todesziffern zu verantworten. Leider lehnen nach wie vor Verschwörungstheoretiker, Maskenverweigerer, Impfgegner oder Querdenker die Wissenschaft, die „Lügenpresse“ oder die Politik ab.

7. Prioritäten werden neu überdacht

Viele hat die Corona-Pandemie besonders hart getroffen: Gastronomen, Einzelhändler, Selbstständige, Künstler und andere. Plötzliche lange Zwangspausen verursachten existenzbedrohende Situationen. Viele andere gerieten zwar nicht in existentielle Sorgen. Sie mussten aber auch Ausgangsbeschränkungen und fehlende Kontakt- oder Reisemöglichkeiten akzeptieren. Sie hatten dadurch mehr Zeit, darüber nachzudenken, ob persönliche oder berufliche Prioritäten neu geregelt werden sollten.
Vielfach zeigte sich, dass die jahrelange Hektik und das Nachjagen nach Vergnügungen und Ablenkungen keinen Mehrwert erzeugten, sondern auch Ballast sein konnten. Der Zugang zu einem ruhigeren und häufig auch gesünderen Leben brachte auch Vorteile. Persönliche Prioritäten konnten neu geregelt werden. Das könnte eine gute Ausgangsbasis für die Zeit nach der Corona-Pandemie sein.

8. Soziale Kontakte gewinnen an Bedeutung

Das Corona-Virus erzwang durch strenge Kontaktregeln und Ausgangsbeschränkungen eine Distanz zu anderen Menschen. Gleichzeitig entstanden durch Home-Office und durch die Enge im eigenen Haushalt zahlreiche Konflikte in Familien und Partnerschaften. Deutlich wurde das Bedürfnis nach positiven sozialen Kontakten. Dies erzeugte eine neue Nähe. Alte Freunde wurden wieder häufiger angerufen, auf der Straße oder beim Einkauf lernte man Menschen kennen, die man sonst nie kennengelernt hätte. Familie, Nachbarn, Freunde rückten näher.
Soziale Kontakte gewannen an Bedeutung, wenn auch manchmal nur per Telefon oder Video-Gespräche. Die Achtsamkeit und Höflichkeit anderen gegenüber nahm zu. Der Generationenzusammenhang zwischen Enkeln, Kindern, Eltern und Großeltern wurde wichtiger. Die Familie rückte wieder stärker in den Mittelpunkt. Freundschaft und Verlässlichkeit, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit wurden stärker beachtet.

9. Die Natur wird neu entdeckt

Die Corona-Pandemie hat unseren Bewegungsspielraum eingeschränkt. Fernreisen waren nicht möglich. Selbst Reisen in Deutschland fielen wegen geschlossener Hotels und Gastronomie weitgehend aus. Stattdessen brachten Spaziergänge, Radtouren oder Tagesausflüge in der näheren Umgebung des Wohnortes neue Entdeckungen und Erfahrungen. Ein Bummel am Fluss, am See, im Stadtpark oder im Wald vermittelten neue Eindrücke in der Natur. Die „Heimat“ wurde neu erlebt. Aber auch zu Hause wurden Hobbys wiederbelebt oder neu entdeckt, die Arbeiten in Wohnung, Haus oder Garten gaben zudem Gelegenheit zur Ablenkung.
Was kommt nach Corona? Werden alle ausgefallenen Kreuzfahrten, Thailand-Trips oder Afrika-Safaris nachgeholt? Oder bleibt das Gefühl, dass es vieles davon gar nicht in diesem Umfang braucht?

10. Staat und Demokratie haben sich bewährt

Die Corona-Pandemie hat uns die Augen dafür geöffnet, wie existentiell Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen, Arbeitskräfte in der Lebensmittelindustrie und im Lebensmitteleinzelhandel, Polizei, Feuerwehr und Müllentsorgung, Wasser- und Stromversorgung, aber auch Postzusteller/innen und Lkw-Fahrer/innen sind. Wie unverzichtbar Kitas und Schulen sind. Und wie wichtig professionelle Medien, ein gut funktionierender Staat und verlässliche Politikerinnen und Politiker sind.
Unser Staat und unsere Demokratie haben den Nachweis erbracht, dass sie funktionieren und auch in Krisenzeiten stabil sind. Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hat sich als aufgeklärt und Sachargumenten gegenüber zugänglich erwiesen. Zwar musste sich die Politik wiederholt korrigieren, weil neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Bewertungen vorlagen. Dies zeigte aber zugleich die Lern- und Handlungsfähigkeit des Staates.
Der Staat hat durch milliardenschwere Wirtschaftshilfen insbesondere auch durch das Kurzarbeitergeld den Zusammenbruch der Wirtschaft verhindert. Im internationalen Vergleich gelang es Deutschland besser als vielen anderen Staaten, Gesellschaft und Wirtschaft gut durch die Corona-Krise zu steuern. Das Funktionieren des Staates während der Corona-Pandemie, der schwersten Herausforderung nach dem Zweiten Weltkrieg, hat bei der Mehrheit der Bürger das Vertrauen in die Politik gestärkt. Vielleicht trägt dies künftig zu einem größeren Engagement für die Demokratie bei.

Von Dr. Thies Claussen sind die Bücher „Denkanstöße – Acht Fragen unserer Zeit“ (2021), „Unsere Zukunft nach Corona“ (2020), „Ludwig Erhard. Wegbereiter unseres Wohlstands“ (2019), „Zukunft beginnt heute“ (2018) und „Unsere Zukunft“ (2017) erschienen.
Der Autor war Ministerialdirigent im Bayerischen Wirtschaftsministerium und zuletzt Vizechef der LfA Förderbank Bayern.

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