Die Freilegung einer bisher im Sand verborgenen, antiken Stadt im heutigen
Syrien belegt erstmals das über sechs Jahrhunderte lange Bestehen einer
hellenistischen Siedlung bis in die römische Kaiserzeit. Diese bietet nun
einzigartige Einblicke in die Strukturen einer vorrömisch-hellenistischen
Siedlung. Das vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierte Projekt wirft damit ein
neues Licht auf das Stadtleben der Menschen in der hellenistischen Zeit.
Lange Zeit hat die syrische Wüste ein großes Geheimnis unter dicken
Sandschichten gehütet – die Überreste der vorrömisch-hellenistischen
Siedlung Palmyra, deren Existenz bisher nur schriftlich belegt war. Im
Rahmen eines Kooperationsprojektes zwischen dem Institut für Klassische
Archäologie der Universität Wien, dem Deutschen Archäologischen Institut und
der Generaldirektion der Altertümer und Museen Syriens, welches vom FWF
finanziert wird, wurde diese frühe Stadt erstmals lokalisiert und bietet nun
einmalige Einblicke in die Strukturen einer vorrömisch-hellenistischen
Siedlung.
„Abgesehen von einer bereits für das zweite Jahrtausend v. Chr. für Palmyra
belegten Siedlung wurde im dritten Jahrhundert v. Chr. offenbar an anderer
Stelle eine neue Siedlung angelegt, die später im römischen Reich aufging.
Während wir über die spätere römische Stadt sehr viel wissen, blieb das
Areal der hellenistischen Siedlung Palmyra bisher unerforscht“, so
Projektleiter Prof. Andreas Schmidt-Colinet vom Institut für Klassische
Archäologie der Universität Wien. „Die jetzige Untersuchung bietet uns die
einzigartige Möglichkeit, den Übergang von der hellenistischen Zeit in die
römische Kaiserzeit anhand der hier vorhandenen Siedlungsstrukturen auf
einer größeren Fläche zu analysieren.“
SIEDLUNGSABFOLGE & HANDELSWEGE
Angesichts der Größe des Areals wurden im Rahmen des Projektes bisher
Ausschnitte der antiken städtischen Siedlungsstrukturen exemplarisch
untersucht. Diese geben bereits jetzt erste Aufschlüsse, insbesondere über
die Chronologie der einzelnen Bauphasen sowie über die Handels- und
Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen „Sand City“. So zeigen die
Untersuchungen, dass die Bauaktivitäten in verschiedenen Hauptphasen
stattgefunden haben und vom dritten Jahrhundert v. Chr. bis zum Ende des
dritten Jahrhunderts n. Chr. reichen. Das Ende der Nutzung des Areals ist
dabei möglicherweise mit der Eroberung der Stadt durch den römischen Kaiser
Aurelian bzw. dem Mauerbau unter Kaiser Diokletian in Zusammenhang zu
bringen.
Um die Handelswege der Palmyrener nachvollziehen zu können, sind
Keramik-Funde von besonderer Bedeutung. Insgesamt überwiegt zwar der Anteil
an einheimischer lokaler Ware gegenüber der aus anderen Gegenden
importierten Keramik. Dennoch belegen beispielsweise Amphoren aus Rhodos –
große Tongefässe, in denen Wein transportiert wurde, – oder aus Afrika
eingeführte Ware die weitreichenden Verbindungen Palmyras seit dem späten
Hellenismus bis in die späte Kaiserzeit. Prof. Schmidt-Colinet dazu:
„Aufgrund der Keramikfunde ist erstmals eine gesicherte Abfolge
hellenistisch-römischer Keramik über einen Zeitraum von 600 Jahren möglich.
Darüber hinaus ist damit zum ersten Mal der archäologische Nachweis für eine
über sechshundertjährige Kontinuität einer hellenistischen Siedlung bis zur
römischen Kaiserzeit erbracht.“
TIERISCHER SPEISEPLAN
Auch über die Haustierhaltung und -nutzung konnten erste Erkenntnisse
gewonnen werden. So zeigen die „Küchenabfälle“, dass vor allem Schafe und
Ziegen, aber auch Dromedare, Rinder und Schweine gehalten bzw. gegessen
wurden. Gazellen, Wildgeflügel und Fisch standen bei den hellenistischen
Palmyrenern hingegen offenbar nur selten auf dem Speiseplan.
Künftig ist es das Ziel der ArchäologInnen, eine monumentale hofartige
Anlage im Zentrum der hellenistischen Siedlung, die enge Parallelen zu
syrischen Karawanenbauten aufweist, vollständig freizulegen. Dabei sollen
nicht nur Baugeschichte oder Funktion der einzelnen Räume bestimmt, sondern
auch geklärt werden, welche Gesamtbedeutung die Anlage für die Stadt Palmyra
hatte. Am Ende werden die Befunde der Ausgrabungen, die der FWF ermöglicht
hat, mit oberirdisch noch sichtbaren Bebauungsstrukturen und Luftaufnahmen
in einem topografischen Gesamtplan von Palmyra zusammengeführt.
Bild und Text ab Montag, 23. Juni 2008, 09.00 Uhr MEZ verfügbar unter:
http://www.fwf.ac.at/de/public_relations/press/pv200806-de.html
Wien, 23. Juni 2008
PRESSEMITTEILUNG-DETAILS:
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Andreas Schmidt-Colinet
Universität Wien
Institut für Klassische Archäologie
Franz Klein-Gasse 1
1190 Wien
T +43 / 1 / 4277 – 40601
E Andreas.Schmidt-Colinet@univie.ac.at
Der Wissenschaftsfonds FWF:
Mag. Stefan Bernhardt
Haus der Forschung
Sensengasse 1
1090 Wien
T +43 / 1 / 505 67 40 – 8111
E stefan.bernhardt@fwf.ac.at
Redaktion & Aussendung:
PR&D – Public Relations für Forschung & Bildung
Campus Vienna Biocenter 2
1030 Wien
T +43 / 1 / 505 70 44
E contact@prd.at
W http://www.prd.at