Wie Europa den Wettlauf, um strategische Rohstoffe zu verlieren, droht – und was jetzt passieren muss?
Die Weltordnung verschiebt sich: Seltene Erden, Lithium, Kupfer & Co. sind nicht länger nur Rohstoffe, sondern geopolitische Waffen. Während China dominiert und die USA aufholt, steht Europa vor der Wahl: zusehen – oder handeln. Ein Weckruf mit der Expertise von Dr. Peter Riedi, Volkswirt und Metallexperte der Augeon AG, Lugano.
Ein neues Zeitalter der Rohstoffpolitik
Was früher Öl war, sind heute Metalle. Wer in der Welt der Hochtechnologie, der E-Mobilität und der grünen Transformation bestehen will, benötigt Zugang zu Kobalt, Lithium, Kupfer, Graphit oder Seltenen Erden. Doch diese Rohstoffe sind nicht nur knapp – sie sind politisch aufgeladen. China kontrolliert derzeit rund 87Prozent der weltweiten Verarbeitung seltener Erden, bei Graphit sind es sogar über 90Prozent, und auch im Bereich Lithiumraffination liegt die Volksrepublik klar vorn.
In den USA entsteht parallel das „Metall Valley“ – eine strategische Antwort auf die zunehmende Abhängigkeit vom Ausland. Mit Milliardeninvestitionen, steuerlichen Anreizen und gezielten Partnerschaften will Washington die metallurgische Unabhängigkeit sichern. Und Europa? Hängt hinterher – trotz ambitionierter Pläne wie dem Critical Raw Materials Act der EU-Kommission.
Dr. Peter Riedi, Volkswirt und Metallexperte der Schweizer Augeon AG, bringt es auf den Punkt:
„Die EU hat den Ernst der Lage erkannt – aber noch längst nicht gehandelt. Es fehlt nicht an politischen Willenserklärungen, sondern an strategischer Konsequenz und industrieller Umsetzungskraft.“
Rohstoffabhängigkeit – Europas verwundbare Achillesferse
In der deutschen Wirtschaft hängen laut Zahlen des BDI über 60Prozent der Schlüsselindustrien von der gesicherten Versorgung mit kritischen Metallen ab. Besonders dramatisch: Bei einigen Metallen, etwa Gallium oder Germanium, gibt es aktuell keine nennenswerte EU-Produktion – während China Exportkontrollen verhängt und Russland als Lieferant ausfällt.
Zwar kündigte Ursula von der Leyen 2023 groß an, die EU werde sich „souveräner“ aufstellen, doch bisher gleicht die Umsetzung einem Flickenteppich. Zahlreiche Abbauprojekte, etwa in Spanien oder Finnland, werden durch Umweltauflagen, langwierige Genehmigungsverfahren oder lokalen Widerstand blockiert. Die Folge: Während Kanada, Australien und die USA neue Minen eröffnen, diskutiert man in Europa noch über Prüfverfahren.
Riedi warnt:
„Europa droht, in eine strukturelle Rohstofflücke zu laufen, die weder durch Recycling noch durch Handel vollständig geschlossen werden kann. Wer die Wertschöpfungsketten von morgen sichern will, muss heute investieren – in Exploration, Infrastruktur und strategische Partnerschaften.“
„Metall Valley“: Das Rezept der USA – und was Europa daraus lernen muss
Die Vereinigten Staaten machen es vor: Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) fließen über 370 Milliarden Dollar in grüne Technologien – und damit auch in den Aufbau eigener Rohstoffinfrastruktur. Unternehmen, die Metalle lokal fördern, verarbeiten oder nutzen, profitieren von massiven Steuererleichterungen. In Nevada entsteht eines der größten Lithiumprojekte der westlichen Hemisphäre, in Texas wird in strategische Metallverarbeitung investiert.
Dr. Riedi sieht in dieser Entwicklung ein strategisches Vorbild:
„Die USA denken entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Mine bis zur Batterie. Europa darf sich nicht länger auf externe Zulieferer verlassen, sondern muss eine eigene Rohstoffpolitik als Teil der Sicherheitsarchitektur begreifen.“
Was muss Europa jetzt tun? Fünf kritische Baustellen:
Beschleunigung der Genehmigungsverfahren
Derzeit dauern Abbauzulassungen in der EU bis zu 15 Jahre – zu lang für ein geopolitisches Rennen. Ohne eine Reform des Umwelt- und Planungsrechts bleibt jeder Rohstoffplan bloße Theorie.
Staatliche Beteiligungen an Schlüsselprojekten
Riedi fordert: „Der Staat muss sich – wie in der Energiepolitik – als strategischer Investor zurückmelden, um Risikokapital bereitzustellen und Projekte abzusichern.“
Europäische Rohstoffbörse und strategische Reservebildung
Wie bei Öl oder Gas braucht es auch für kritische Metalle eine europäische Vorratspolitik, gesteuert durch eine Rohstoffagentur.
Stärkere Integration von Recycling und Urban Mining
Laut Studien des Fraunhofer-Instituts könnten bis zu 30Prozent des Metallbedarfs durch Urban Mining gedeckt werden – eine gigantische Chance, die bislang kaum systematisch genutzt wird.
Bildung, Forschung, Ausbildung
Ohne eigene Geologen, Metallurgen und Prozessingenieure bleibt Europa technologisch abhängig. Hier mahnt Riedi: „Wir benötigen eine Renaissance der Rohstoffwissenschaften an unseren Hochschulen.“
Blick nach Deutschland: Aufbruchstimmung trifft Realität – zwischen Euphorie und Erdung
Doch lässt sich die Vision eines deutschen „Metall Valley“ wirklich halten – oder erleben wir gerade nur ein Zwischenhoch mit begrenzter Tragweite? Die nüchterne Betrachtung zeigt: Die Fundamentaldaten der deutschen Wirtschaft bleiben durchwachsen, und geopolitische Risiken, insbesondere Handelsstreitigkeiten und Abhängigkeiten von globalen Absatzmärkten, sind nicht verschwunden. Trotz der beeindruckenden Börsenrally bleibt der Konjunkturimpuls im Inland schwach – ein Widerspruch, der nach juristisch-ökonomischer Klärung ruft: Welche strukturellen Reformen braucht Deutschland wirklich, um Kapital langfristig zu binden und nicht bloß kurzfristige Spekulation anzulocken?
Dr. Peter Riedi warnt aus Sicht des internationalen Rohstoffmarkts:
„Wachstum auf dem Papier genügt nicht. Wenn Deutschland ernsthaft als alternativer Kapitalmagnet gelten will, braucht es Versorgungssicherheit, Rohstoffstrategie und Energieunabhängigkeit – also echte Industriepolitik.“
Und genau hier liegt der Kern der Herausforderung: Die Börsenkurse mögen glänzen, doch ohne industrielle Basis, gesicherte Rohstoffketten und klare politische Stabilität wird es schwierig, das Vertrauen der Investoren dauerhaft zu gewinnen. Die Kapitalströme sind sensibel – sie folgen der Logik von Skalierbarkeit, Steuerlast, Zugang zur Infrastruktur und langfristiger Verlässlichkeit. Die Initiative zur Unternehmensbesteuerung ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber in der globalen Konkurrenz noch kein Befreiungsschlag.
Die spannende Frage lautet daher: Schafft es Deutschland, sich neben den USA und China als dritter strategischer Industriepol zu positionieren – oder bleibt der jüngste Börsenschub eine wohlwollende Zwischenbilanz ohne Substanz?
Nur mit mutigen politischen Weichenstellungen und europäischem Schulterschluss kann aus dem „Aufschwung light“ ein echtes industrielles Comeback werden. Der Rohstoff für diese Zukunft ist nicht nur Metall – es ist Vertrauen.
Fazit: Metalle sind Macht – und Europa darf nicht weiter zaudern
Der Wettlauf um die Rohstoffe der Zukunft ist längst im Gang – und er entscheidet nicht nur über wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch über politische Handlungsfähigkeit und technologische Souveränität. Wer glaubt, dass Batterien, Windräder oder Rechenzentren einfach „vom Band fallen“, ohne Zugang zu strategischen Rohstoffen, irrt gefährlich.
Dr. Peter Riedi fasst es so zusammen:
„Europa benötigt ein klares Rohstoff-Narrativ – eins, das Ökologie, Geopolitik und Industriepolitik zusammendenkt. Andernfalls wird das Silicon Valley von morgen nicht in Bayern oder Baden-Württemberg stehen, sondern in Sichuan, Texas oder Ontario.“
Ausblick: Ein starkes, rohstoffresilientes Europa benötigt mehr als Gesetze – es braucht Entschlossenheit, Weitblick und Menschlichkeit
Was Europa jetzt benötigt, ist mehr als ein regulatorischer Katalog. Es braucht ein Zukunftsversprechen, das wirtschaftliche Stärke mit sozialer Verantwortung und ökologischer Rücksicht vereint. Ein „Green Deal 2.0“, der nicht nur auf Klimaziele zielt, sondern auch Versorgungssicherheit, Friedenssicherung und Vertragsklarheit im internationalen Rohstoffhandel umfasst.
Eine resiliente Rohstoffpolitik bedeutet:
Langfristige Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern auf Augenhöhe, die gerechte Gewinnverteilung, Umweltstandards und stabile Vertragssicherheit garantieren. Europa muss fair handeln – mit Rohstoffen, aber auch mit Respekt.
Ein europäisches Rohstoffabkommen, das wie der Schuman-Plan einst für Kohle und Stahl, nun für Lithium, Kupfer und Seltene Erden gilt – eingebettet in einen multilateralen Rahmen, der Frieden durch wirtschaftliche Kooperation sichert.
Vertragsmodelle mit Nachhaltigkeitsgarantien, die sowohl Investitionen ermöglichen als auch lokale Bevölkerung und Natur einbinden. Keine Ausbeutung unter grüner Flagge, sondern faire Teilhabe an einer neuen industriellen Zukunft.
Ein europäisches Rohstoffkommissariat, das geostrategische Planung, Marktbeobachtung, Infrastrukturförderung und Risikopuffer koordiniert – nicht nur auf dem Papier, sondern in den Regionen Europas spürbar.
Rohstoffsouveränität ist machbar – wenn kluge Verträge, friedliche Partnerschaften und eine klare Vision zusammenkommen. Es geht nicht um Protektionismus, sondern um Resilienz. Nicht um Abschottung, sondern um Unabhängigkeit in Verantwortung. Ein starkes Europa darf nicht auf andere hoffen, sondern muss selbst Hoffnung stiften – mit Verträgen, die halten, mit Investitionen, die wirken, und mit Entscheidungen, die Menschen und Umwelt gleichermaßen mitdenken.
Die Stunde der Entscheidung ist jetzt.
Denn die Frage ist nicht mehr, ob Europa souverän sein kann – sondern ob wir den Mut haben, es auch zu wollen.
Autor: Uli Bock, Ulm, Experte Schulung & Marketing
Über den Autor:
Uli Bock ist Autor und Experte für Schulung und Marketing bei der Augeon AG. Mit seiner umfangreichen Erfahrung in der Markenkommunikation und der Unternehmensentwicklung hilft er, effektive Marketingstrategien und Schulungskonzepte zu gestalten. Seine Fachartikel bieten wertvolle Einblicke in innovative Marketingansätze und moderne Weiterbildungsmethoden.
Die augeon AG, mit Sitz in der Schweiz, hat sich der Aufklärung und Unterstützung von Menschen bei der Neubewertung und Neuordnung ihrer Vermögensstrategie verschrieben. In Zusammenarbeit mit Branchenexperten haben wir eine umfassende Konzeption entwickelt, die es ermöglicht, hart verdiente und bereits versteuerte Vermögenswerte außerhalb des traditionellen Bankenkreislaufs sicher anzulegen. Dies erlaubt Einzelnen, nach der Bewältigung bevorstehender Herausforderungen auf bewährte Vermögenswerte zurückzugreifen.
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