Wie die menschliche Landnutzung zu einer immer stärkeren Beeinflussung der
Ökosysteme führt, wird nun erstmals über einen Zeitraum von drei
Jahrhunderten eingehend untersucht. Dabei wird auf globaler Ebene
aufgezeigt, wie sich der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft
bisher auf die Ökosysteme ausgewirkt hat. Teil der Untersuchungen im Rahmen
eines Projektes des Wissenschaftsfonds FWF sind aber auch Modellrechnungen
für die Zukunft, um mögliche Konsequenzen für die globale Nachhaltigkeit
abschätzen zu können.
Der enorme Flächenbedarf für menschliche Landnutzung lässt den Ökosystemen
unserer Erde immer weniger Raum zum Leben. Heute verbrauchen die Menschen
durch ihre Landnutzung bereits über 20 Prozent der natürlichen
Biomasseproduktion der Erde und berauben die Ökosysteme damit ihrer
wichtigsten Energiequelle.
Die Intensität der Landnutzung hängt stark von der Bevölkerungsdichte ab,
wie ForscherInnen des Instituts für Soziale Ökologie der Universität
Klagenfurt bereits im Rahmen eines Projektes feststellen konnten. Weitere
mögliche Faktoren boten bisher jedoch ein komplexes Bild, wie das Beispiel
der Industrienationen zeigt: Während eine reichhaltigere Ernährung hier eine
Tendenz zur Ausweitung der Landnutzung hervorruft, ermöglicht der
technologische Fortschritt gleichzeitig deren Reduktion. Dieses Puzzle
möchten die ForscherInnen jetzt jedoch in einem Folgeprojekt lösen: Es gilt
anhand der Zeitdynamik die sozioökonomischen aber auch die natürlichen
Faktoren zu bestimmen, die zu der menschlichen Dominanz über die Ökosysteme
führen – aber auch zu welchen Konsequenzen diese Dominanz führen kann.
MENSCHLICHE LANDDOMINANZ
Wie intensiv die Landnutzung der Menschen ist und wie viel Einwirkung diese
damit auf die Biosphäre haben, kann durch den HANPP-Indikator bestimmt
werden. Dieser misst die menschliche Aneignung von Nettoprimärproduktion.
Bei letzterer handelt es sich um die Biomasse, welche die Primärproduzenten,
hauptsächlich Pflanzen, nach Abzug der eigenen Zellatmung produzieren und
die somit jährlich als Energieinput für Ökosysteme zur Verfügung steht.
Projektleiter Prof. Haberl dazu: „Um erstmals die Faktoren für die
menschliche Landdominanz bestimmen zu können, erstellen wir eine globale
HANPP-Zeitreihe, die vom 18. bis ins 20. Jahrhundert reicht. Anhand dieser
können wir nicht nur analysieren, wie sich der Übergang von der Agrar- zur
Industriegesellschaft auf die Ökosysteme ausgewirkt hat – also welcher
Anteil der Nettoprimärproduktion durch menschliche Aktivitäten den
natürlichen Ökosystemen verloren gegangen ist. Sondern wir werden auch
untersuchen, welche Veränderungen in natürlichen und sozioökonomischen
Systemen zu Veränderungen des HANPP geführt haben. Auf sozioökonomischer
Ebene zählen beispielsweise zunehmender Wohlstand oder landwirtschaftliche
Technologien zu den wesentlichen Parametern. Aber auch natürliche
Beschränkungen wie die Beschaffenheit von Erdböden oder das Klima werden in
die Analyse einbezogen.“
BESCHRÄNKTES SERVICE
Neben den maßgeblichen Faktoren, die zu einer HANPP-Veränderung führen,
spielen mögliche Konsequenzen für die globale Nachhaltigkeit eine
wesentliche Rolle im Rahmen des Projektes. Dieses stellt zum ersten Mal
einen Zusammenhang zwischen der Erzeugung von Biomaterial und den
Serviceleistungen der Natur her, wie Projektmitarbeiter
Dr. Karlheinz Erb ausführt: „Wir gehen von der Hypothese aus, dass die
intensive menschliche Landnutzung die Produktivität der Ökosysteme verändert
und auch deren Belastbarkeit und ihr Vermögen, Ökosystem-Services zu
erbringen, einschränkt. So ist es fraglich, ob die Ökosysteme unter den
veränderten Bedingungen beispielsweise nach wie vor in der Lage sind Abfall
und Emissionen im bisherigen Ausmaß aufzunehmen.“ Auch Veränderungen in der
Verfügbarkeit von Biomasse sowie in globalen Wasser-, Kohlenstoff- und
Stickstoffflüssen sowie der Menge an Kohlenstoff, welche die Pflanzen
weltweit speichern, geben die ForscherInnen als langfristige Konsequenzen an
und sind zudem der Hypothese auf der Spur, dass HANPP ein relevanter Faktor
für einen Verlust der Artenvielfalt ist.
Damit zeigt das FWF-Projekt wie wichtig es ist die bisher kaum erforschte
Landdominanz des Menschen in Zukunft im Rahmen von nachhaltigen
Entwicklungsstrategien zu berücksichtigen. Dabei plädieren die ForscherInnen
insbesondere dafür, den bereits errechneten hohen Druck auf die Ökosysteme
nicht durch überzogene Pläne zum Ersatz von Fossilenergie durch
Biomasseenergie weiter zu verstärken.
Bild und Text ab Montag, 21. Juli 2008, 09.00 Uhr MEZ verfügbar unter:
http://www.fwf.ac.at/de/public_relations/press/pv200807-2de.html
PRESSEMITTEILUNG-DETAILS:
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Helmut Haberl
Universität Klagenfurt
Institut für Soziale Ökologie
Schottenfeldgasse 29
1070 Wien
T +43 / 1 / 522 40 00 – 406
E helmut.haberl@uni-klu.ac.at
Der Wissenschaftsfonds FWF:
Mag. Stefan Bernhardt
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